Merz provoziert Moskau – Kreml droht Berlin offen

Foto: Bundeswehr/Andrea Bienert

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Berlin/Moskau. Mit einer einzigen Aussage hat Bundeskanzler Friedrich Merz eine neue Eskalationsstufe im Ukraine-Konflikt gezündet – und den Kreml zu drastischen Drohungen veranlasst. Die Reichweitenbegrenzung für deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine sei aufgehoben, sagte Merz am Montag. Die Ukraine könne nun auch russisches Kernland angreifen. Moskau spricht von einer „gefährlichen Provokation“ – und warnt: Berlin könnte das Ziel von Vergeltung werden.

„Keine Einschränkungen mehr“ – Merz sorgt für außenpolitischen Paukenschlag

„Es gibt keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen, die an die Ukraine geliefert wurden“, erklärte der CDU-Kanzler mit Verweis auf die Unterstützung Kiews im Abwehrkampf gegen Russland. Gemeint sind Marschflugkörper wie Taurus – bisher ein politisches Tabu. Dass Berlin den Weg für Angriffe auf russisches Territorium freimachen könnte, ist nicht nur militärisch heikel, sondern markiert einen diplomatischen Dammbruch.

Die russische Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Kremlsprecher Dmitri Peskow sprach von einer „äußerst gefährlichen Entscheidung“. Außenminister Sergej Lawrow legte nach und warf Berlin „heimliche Zustimmung zu Langstreckenangriffen“ vor. In russischen Talkshows ist von „faschistischen Wurzeln“ Deutschlands die Rede – in Telegram-Kanälen kursieren Szenarien eines Angriffs auf Berlin.

Rhetorik oder Realpolitik? Berlin sendet widersprüchliche Signale

Die Bundesregierung wirkte auf Nachfrage zerstritten. Nur Stunden nach Merz’ Ansage erklärte Vizekanzler Wolfgang Kubicki, es gebe keine Änderung der Waffenpolitik. Merz selbst relativierte – und sprach von einer „Beschreibung des Ist-Zustands“. Für russische Kommentatoren ist die Verwirrung ein Beleg für mangelnde Führung in Berlin – für Moskaus Propaganda ein gefundenes Fressen.

Tatsächlich ist die deutsche Linie schwer greifbar: Waffen wie der Marschflugkörper Taurus wurden bisher nicht geliefert. Dennoch befinden sich deutsche Systeme wie die Panzerhaubitze 2000 längst an der Front. Analyst Artem Sokolow vom Moskauer MGIMO-Institut sieht in der Berliner Kommunikation eine „taktisch ambivalente Strategie“ – zwischen Abschreckung und Schadensbegrenzung.

Kreml nutzt Eskalation für eigene Ziele – und droht offen mit Gegenschlägen

In der russischen Medienlandschaft wird die Eskalation zur Mobilisierung genutzt. In der Sendung „60 Minuten“ auf dem Staatskanal Rossija 1 wird Merz als „Marionette der USA“ diffamiert, Deutschland als „Kriegstreiber“ dargestellt. Kriegsblogger drohen mit „Vergeltung jenseits der Ukraine“. Besonders die Diskussion über den Taurus-Marschflugkörper wird zur roten Linie erklärt: Sollte ein solcher Flugkörper aus ukrainischer Hand Russland treffen, sei das ein „deutscher Angriff“ – mit direkter Konsequenz für deutsche Städte.

Symbolische Sprengkraft größer als die militärische

Ob Berlin tatsächlich bereit ist, Langstreckenwaffen wie den Taurus zu liefern, ist offen. Doch die Wirkung von Merz’ Aussage entfaltet sich bereits – weniger durch die Waffen selbst als durch den Bruch mit westlicher Zurückhaltung. Moskau erkennt darin eine strategische Wende: Der Westen, so die russische Lesart, verabschiedet sich von bisherigen roten Linien.

Zugleich instrumentalisiert der Kreml die Entwicklung zur innenpolitischen Festigung und zur Spaltung des Westens. Die „deutsche Gefahr“ ist ein altes Motiv russischer Propaganda – jetzt wird es neu aufgelegt, um innenpolitisch den Schulterschluss zu stärken und außenpolitisch Unruhe zu stiften.

Ein Satz, viele Fronten

Friedrich Merz’ Satz könnte weitreichende Folgen haben – nicht nur für das sicherheitspolitische Klima in Europa, sondern auch für Deutschlands Rolle im internationalen Konfliktfeld. Ob es sich um gezielte Abschreckung, kommunikative Ungeschicklichkeit oder einen bewussten Kurswechsel handelt – Moskau hat reagiert. Und zwar mit der klaren Botschaft: Wer Russland attackiert, muss mit einer Antwort rechnen – nicht nur in der Ukraine.

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