Was seit Wochen als drohendes Szenario in den Schlagzeilen war, ist am Mittwoch Realität geworden: Das Walliser Dorf Blatten wurde am Nachmittag gegen 15:30 Uhr von einem gewaltigen Bergrutsch erfasst und zu weiten Teilen verschüttet. Innerhalb weniger Sekunden donnerte eine gewaltige Masse aus Fels, Eis und Geröll ins Tal – mit einer zerstörerischen Wucht, die selbst in mehreren Kilometern Entfernung spürbar war.
Dorf fast vollständig zerstört – ein Bild der Verwüstung
Live-Aufnahmen von Überwachungskameras dokumentieren das Unheil in Echtzeit: Wo einst Häuser, Straßen und Gärten lagen, erstreckt sich nun ein tristes Meer aus Geröll. Der Regionale Führungsstab teilte am Abend mit, dass rund 90 Prozent des Dorfes Blatten verschüttet wurden. Eine Rückkehr der Bewohner ist auf absehbare Zeit undenkbar.
Zwar war das Dorf dank frühzeitiger Evakuierungen menschenleer – doch eine Tragödie konnte nicht vollständig verhindert werden. Ein 64-jähriger Einheimischer gilt weiterhin als vermisst. Die Polizei setzt Drohnen mit Wärmebildkameras ein, um ihn im unwegsamen Gelände zu finden. Die Suchaktion läuft unter Hochdruck – bislang jedoch ohne Erfolg.
Geologische Nachwirkungen: Seen entstehen, neue Gefahren drohen
Der massive Abriss des Berghangs hat auch die umliegende Natur drastisch verändert. Die beiden Bäche Lonza und Gisentella stauen sich aktuell hinter dem Schutt zu einem See. Experten warnen vor einem unkontrollierten Abfluss – mit möglichen Erosionen weiter talabwärts. Evakuierungen in nahegelegenen Ortschaften wie Wiler wurden bereits eingeleitet.
Noch ist unklar, wie instabil das verbleibende Material am Berg ist. Die Lage bleibt dynamisch, Ingenieure und Naturgefahrendienste überwachen die Situation rund um die Uhr.
Bundesrat und Armee im Kriseneinsatz
Verteidigungsminister Martin Pfister reagierte noch am Abend und kündigte die Mobilisierung des Katastrophenhilfe-Bereitschaftsbataillons an. Bereits in der Nacht sollte ein Vorausdetachement im Lötschental eintreffen, um mögliche Aufgaben für die Armee zu identifizieren. Von Wasserabpumpen über logistische Führungsunterstützung bis hin zu Sicherheitsdiensten – alle Optionen werden geprüft.
Pfister sicherte der betroffenen Bevölkerung „alle notwendige Unterstützung der Schweiz“ zu. „Die ganze Schweiz steht hinter Blatten“, sagte er sichtlich betroffen. Ziel sei es, langfristige und effektive Hilfe zu leisten – nicht nur symbolische Gesten.
Wiederaufbau als nationale Aufgabe
Bundesrat Albert Rösti, zuständig für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, betonte die Verantwortung des Bundes: „Es ist jetzt unsere Aufgabe, den Wiederaufbau gemeinsam mit Kanton und Gemeinden anzupacken.“ Sein Amt für Umwelt arbeite bereits eng mit Naturgefahrenexperten zusammen, um weitere Risiken zu minimieren.
Langfristig sehe er vor allem im Bereich des Wald- und Wasserbaus Ansatzpunkte für nachhaltige Wiederherstellung. Die Priorität liege jedoch zunächst beim Schutz der Bevölkerung – durch technische Sicherungen und gezielte Soforthilfen.
Emotionale Reaktionen aus dem Wallis
Staatsrat Franz Ruppen zeigte sich tief erschüttert: „Es ist unvorstellbar, was passiert ist. Wir sprechen hier von Häusern, die unter 50 Metern Schutt begraben sind.“ Auch Staatsrätin Franziska Biner fand klare Worte: „Wenn die Berge zerfallen, sind wir machtlos.“ Sie forderte Solidarität – nicht nur im Wallis, sondern in der ganzen Schweiz.
Der Kanton Wallis hat angesichts der Lage den Ausnahmezustand ausgerufen. Das erlaubt schnellere Mobilisierung von Hilfskräften und Ressourcen.
Eine Katastrophe mit Langzeitfolgen
Das Unglück von Blatten ist eine nationale Tragödie. Es zeigt schonungslos, wie verwundbar auch scheinbar idyllische Orte in den Alpen sein können. Der materielle Verlust ist immens, der emotionale kaum in Worte zu fassen. Während Einsatzkräfte um das Leben eines Vermissten kämpfen und Experten weitere Gefahren bewerten, beginnt für Hunderte Menschen ein neuer, ungewisser Lebensabschnitt – fern ihrer Heimat, die nun unter Geröll begraben liegt.