Washington. Die Vereinigten Staaten stehen offenbar vor der tiefgreifendsten Reform ihrer Militärstruktur seit Jahrzehnten. Nach einem Bericht der „Washington Post“ plant das Pentagon eine umfassende Neuordnung der Führungsstrukturen – mit spürbaren Folgen für Europa und die Nato. Demnach soll das US-Europakommando (Eucom) mit Sitz in Stuttgart herabgestuft und künftig einem neu zu schaffenden „Internationalen Kommando“ unterstellt werden. Parallel dazu ist eine deutliche Reduzierung der Zahl hochrangiger Militärs vorgesehen.
Kern der Reform ist nach Angaben aus Regierungskreisen eine massive Verschlankung der militärischen Führungsebene. Auf Anweisung von Verteidigungsminister Pete Hegseth soll insbesondere die Zahl der Vier-Sterne-Generäle deutlich sinken. Ziel sei es, Entscheidungswege zu verkürzen, Machtballungen abzubauen und die Streitkräfte stärker an den strategischen Prioritäten der Trump-Regierung auszurichten.
Offiziell wollte sich das Pentagon zu den Plänen nicht äußern. Ein Sprecher verweigerte auf Anfrage der Zeitung jede Stellungnahme. Doch im politischen und militärischen Umfeld gilt die Reform als Teil einer größeren Neuausrichtung der US-Sicherheitspolitik, die sich konsequent am Leitmotiv „America First“ orientiert. Eine Anfang Dezember vorgestellte nationale Sicherheitsstrategie macht deutlich, dass Washington seine globalen Verpflichtungen neu gewichten will.
Für Europa könnten die Folgen erheblich sein. In Nato-Kreisen wird seit längerem erwartet, dass die USA ihre militärische Präsenz auf dem Kontinent schrittweise reduzieren, um Kräfte und Ressourcen in den Indopazifik zu verlagern. Dort sieht Washington die zentrale strategische Herausforderung in der wachsenden Rivalität mit China. Eine Herabstufung des Europa-Kommandos würde diesen Kurs institutionell untermauern – und die Bedeutung Europas aus US-Sicht sichtbar relativieren.
Gleichzeitig versucht der US-Kongress, möglichen Truppenabzügen Grenzen zu setzen. In den kommenden Tagen dürfte der Senat über das neue Verteidigungsgesetz (National Defense Authorization Act, NDAA) abstimmen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Zahl der US-Soldaten in Europa nicht dauerhaft unter 76.000 sinken darf. Das Repräsentantenhaus hat diese Regelung bereits verabschiedet – ein deutliches Signal an das Weiße Haus, die transatlantische Sicherheitsarchitektur nicht einseitig auszuhöhlen.
Was die geplante Reform konkret für Deutschland bedeutet, ist derzeit offen. Stuttgart ist nicht nur Sitz des Europa-Kommandos, sondern auch ein zentrales Drehkreuz für US-Operationen in Europa und Afrika. Eine strukturelle Herabstufung könnte die politische und militärische Bedeutung des Standorts schwächen – und neue Debatten über Europas Fähigkeit zur eigenständigen Verteidigung befeuern.
Klar ist jedoch schon jetzt: Die angekündigten Pläne markieren einen strategischen Wendepunkt. Sollten sie umgesetzt werden, würden die USA ihre Rolle als militärischer Garant Europas neu definieren – mit weitreichenden Folgen für Nato, EU und die Sicherheitsordnung des Kontinents.


