Neuer Bundeswehr-Fallschirm ist Sicherheits-Risiko

Symbolbild. Foto: Katrin Hubner/CC BY-SA 4.

Symbolbild. Foto: Katrin Hubner/CC BY-SA 4.0

Ein als Erfolgsmeldung präsentierter Fortschritt der Bundeswehr entpuppt sich offenbar als riskanter Rückschritt: Der neue Fallschirm EPC-B, der seit 2024 im Truppeneinsatz ist, weist laut einem internen Dokument massive sicherheitstechnische Mängel auf. Obwohl der Schirm öffentlich als sicher und modern gefeiert wurde, warnt ein interner Bericht eindringlich vor seiner Nutzung – mit potenziell lebensbedrohlichen Folgen für Fallschirmspringer.

Erhebliche Sicherheitsrisiken festgestellt

Das brisante Dokument des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), das dem NDR, WDR und der Süddeutschen Zeitung vorliegt, zeichnet ein erschreckendes Bild: Insbesondere bei Absprüngen aus beiden Seitentüren des A400M-Transportflugzeugs kommt es demnach regelmäßig zu gefährlichen Zwischenfällen. Neben häufigen Beinahe-Zusammenstößen der Schirme kam es laut Bericht auch zu sogenannten „Schirmdurchfahrten“ – ein besonders gefährlicher Vorfall, bei dem ein Springer zwischen die Leinen eines anderen gerät.

Solche Situationen seien laut Einschätzung eines Bundeswehr-Oberstleutnants nicht zu kontrollieren und dauerhaft untragbar. In einem dokumentierten Fall aus dem März 2025 kam es bei einer Übung zu einer Kollision in der Luft – ein Beweisfoto liegt dem Bericht bei, nähere Informationen dazu fehlen jedoch.

Technische und wirtschaftliche Defizite

Bereits jetzt zeigen sich auch wirtschaftliche Folgen. Der EPC-B darf aktuell nur in Höhen bis 1.000 Meter genutzt werden und ist auf eine Lebensdauer von sechs Jahren bzw. 60 Sprünge begrenzt – weit entfernt von den ursprünglich vorgesehenen 18 Jahren oder 180 Einsätzen. Die Folge: Es müssten für rund 11,5 Millionen Euro zusätzliche Fallschirme beschafft werden, sollte die ursprüngliche Zielvorgabe doch noch erreicht werden.

Ein weiterer Kritikpunkt: Die Betriebskosten des neuen Fallschirms übersteigen die des alten T-10-Systems deutlich. Zudem wurde festgestellt, dass eine sicherheitsrelevante Komponente – die Rückstellkraft der Ausstoßfeder – unzureichend sei.

Ministerium reagiert ausweichend

Das Bundesverteidigungsministerium kommentierte die Vorwürfe nicht konkret. Auf Nachfrage hieß es lediglich, man äußere sich grundsätzlich nicht zu internen Dokumenten oder klassifizierten Informationen. Auch zum Status des internen Berichts äußerte sich das BAAINBw nicht eindeutig. Stattdessen wurde das Papier nach nur einem Tag offiziell als „gegenstandslos“ erklärt – angeblich aufgrund eines bürokratischen Fehlers bei der Verteilung.

Hersteller in der Kritik

Der Hersteller, eine deutsche Tochter der französischen Firma Safran, gerät ebenfalls unter Druck. Laut dem Bericht verfüge das Unternehmen über erhebliche Wissenslücken im Hinblick auf die technischen Details des eigenen Produkts. Dies habe zu verzögerten Problemlösungen und mangelnder Unterstützung geführt.

Safran selbst weist die Vorwürfe zurück und verweist auf erfolgreiche Tests mit der Bundeswehr, die dem Fallschirm Lufttüchtigkeit attestiert hätten. Außerdem habe man bereits nachgewiesen, dass der Schirm mit Systemen anderer NATO-Länder kompatibel sei.

Zweifel am NATO-Projekt

Ursprünglich wurde das EPC-B-System gemeinsam mit Belgien und den Niederlanden entwickelt, um die sogenannte Interoperabilität innerhalb der NATO zu stärken. Doch laut Bericht bestehen selbst zwischen den scheinbar baugleichen Systemen technische Unterschiede – die angestrebte Kompatibilität sei daher in der Praxis nicht sichergestellt.

Beschaffung unter Druck

Die Beschaffung des EPC-B ist Teil eines größeren strukturellen Problems innerhalb der Bundeswehr: langwierige, intransparente und unübersichtliche Beschaffungsprozesse. Bereits 2020 musste die Truppe sich laut Medienberichten US-Fallschirme leihen, um den Ausbildungsbetrieb aufrechterhalten zu können. Auch die Wehrbeauftragte hatte sich in ihrem Bericht 2022 über die schleppende Modernisierung beklagt.

Ein anonymer Soldat bringt es auf den Punkt: „Es gibt zu viele Zuständige, aber niemanden, der Verantwortung übernimmt.“ Trotz des Sondervermögens für die Bundeswehr werde das Problem mit alten Verfahren nicht lösbar sein.

Zukunft des EPC-B ungewiss

Derzeit ist unklar, ob der EPC-B wie geplant bis Ende 2025 vollständig eingeführt wird. Im internen Papier wird eine klare Forderung laut: Eine zeitnahe Entscheidung für ein alternatives System sei notwendig. Zitiert wird der preußische Offizier Ferdinand von Schill: „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.“

Ob dieser Appell Wirkung zeigt, bleibt abzuwarten – die Debatte um den EPC-B ist damit jedenfalls noch lange nicht beendet.

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