Fresach. Bei der Eröffnung der Europäischen Toleranzgespräche 2025 im Kärntner Bergdorf Fresach hat die langjährige Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, Cathrin Kahlweit, eindringlich zu einer scharfen außen- und sicherheitspolitischen Aufrüstung aufgerufen. Die erfahrene Journalistin, die in London, Wien und Kiew berichtete, warnt davor, die demokratischen Errungenschaften der Nachkriegszeit leichtfertig preiszugeben – weder gegenüber inneren Feinden noch gegenüber äußeren Aggressoren.
Kahlweit unterstrich in ihrer Rede die zentrale Bedeutung eines funktionierenden Rechtsstaats: „Wenn dieser zerbricht, verlieren Bürger das Vertrauen in Staat, Wirtschaft und Zukunft – und letztlich werden alle Opfer der Willkür eines instabilen Absolutismus.“ Die Journalistin kritisierte besonders jene Wirtschaftsakteure in Österreich, die aus Profitgier mit Rechtsextremen kooperieren, die den Rechtsstaat dem eigenen Machthunger opfern wollen.
Ein Blick in die USA illustriert die Gefahren einer Demokratie, die sich selbst sabotiert: Dort diskutieren Forscher hitzig, ob Donald Trump als Faschist, Oligarch oder Paternalist zu bewerten ist. Eines steht laut Kahlweit aber fest: Die Demokratie wird von einer Mehrheit erschreckend naiv einem Mann und seiner Gefolgschaft ausgeliefert, die bereit sind, jahrhundertealte Errungenschaften zu zerstören und Freiheiten massiv einzuschränken.
Freiheit verteidigen – notfalls mit militärischer Kraft
„Freiheit muss man verteidigen – und das kann Aufrüstung, Abschreckung und militärische Mittel bedeuten“, mahnte Kahlweit. Sie appellierte an die Verantwortung Europas, gerade in einem Land wie Österreich, das sich an seine Neutralität klammert, als ob diese einen Schutz vor wachsenden Bedrohungen böte. „Sich an die Neutralität zu klammern, heißt nicht, im reißenden Strom der Aggressionen überleben zu können“, so die Journalistin.
Auch wenn sie keine einfachen Rezepte gegen die politischen und wirtschaftlichen Abgründe unserer Zeit habe, setzt Kahlweit auf den Sozialstaat als Anker der Demokratie. Sie plädierte nachdrücklich für Vermögens- und Erbschaftssteuern, die sie als „Notwendigkeit“ im Kampf gegen die soziale Spaltung sieht: „Die reichsten zehn Prozent besitzen 83 Prozent des weltweiten Vermögens und verursachen zwei Drittel der Erderwärmung. ‚Tax the rich‘ ist deshalb das Gebot der Stunde.“
Klarer Appell für gemeinsame europäische Verteidigung
In ihrer kämpferischen Rede forderte Kahlweit die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland, den Aufbau einer europäischen Armee und gemeinsame Rüstungsanstrengungen. Zudem müsse Europa die Ukraine „solidarisch, dauerhaft und mit allen Mitteln“ gegen Russlands Aggression unterstützen – „whatever it takes“.
Für Kahlweit ist wertegeleitete Politik keine verstaubte Idee, sondern überlebenswichtig: „Die Menschen in der Ukraine, Georgien, Bulgarien, Serbien, der Slowakei, Ungarn und selbst die Briten, die den Brexit bereuen, erwarten von Europa ein klares Bekenntnis zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit.“ Auch die Russen, so betonte sie, sehnten sich nach einem Ende des Krieges und einem Ende der Unterdrückung.
Österreichs „weiter so“ ist keine Option mehr
Mit Blick auf Österreich, wo viele sich gerne als „Nabel der Welt“ sehen, brachte Kahlweit die Stimmung nüchtern auf den Punkt: „Ein ‚weiter so wie bisher‘ können wir uns nicht leisten.“ Die Zeiten erfordern ihrer Ansicht nach mehr Mut, mehr Solidarität und vor allem eine klare strategische Orientierung in einer Welt, die von Krisen und Konflikten erschüttert wird.