Nach einer nächtlichen Marathonsitzung haben sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union auf ein milliardenschweres neues Hilfspaket für die Ukraine verständigt. Der Kompromiss beendet einen der härtesten Finanzstreits der vergangenen Monate – und setzt zugleich ein politisches Signal an Moskau.
EU-Ratspräsident António Costa verkündete am frühen Freitagmorgen den Durchbruch: Die EU stellt der Ukraine in den kommenden zwei Jahren bis zu 90 Milliarden Euro zur Verfügung. Finanziert werden soll die Unterstützung über einen zinslosen Kredit der EU-Kommission. Zurückzahlen muss die Ukraine das Geld nur dann, wenn Russland eines Tages Reparationen für die Zerstörungen des seit 2022 andauernden Angriffskrieges leistet. Bis dahin bleiben die in der EU eingefrorenen russischen Staatsvermögen blockiert.
Bundeskanzler Friedrich Merz sprach von einem „klaren und notwendigen Signal“ an den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die vereinbarten Mittel reichten aus, um sowohl den militärischen Bedarf als auch die Haushaltsfinanzierung der Ukraine für die nächsten zwei Jahre sicherzustellen. Moskau werde erst dann zu Verhandlungen bereit sein, wenn klar werde, dass sich der Krieg wirtschaftlich und politisch nicht mehr lohne, so Merz.
Die Einigung bedeutet zugleich eine Abkehr von einem zuvor heftig diskutierten Plan: Ursprünglich hatte Merz gefordert, eingefrorene russische Zentralbankgelder – vor allem in Belgien – direkt für Kredite an die Ukraine zu nutzen. Dieser Ansatz scheiterte am Widerstand mehrerer Mitgliedstaaten. Vor allem Frankreich und Italien zeigten sich nicht bereit, finanzielle Risiken mitzutragen, die aus möglichen russischen Gegenmaßnahmen oder juristischen Klagen entstehen könnten. Auch Belgien äußerte massive Bedenken, insbesondere mit Blick auf das Finanzinstitut Euroclear, das den Großteil der russischen Vermögenswerte verwaltet und für den Staat erhebliche Steuereinnahmen generiert.
Stattdessen einigte sich die EU nun auf einen Zwischenschritt: Die Union geht mit dem Kredit in Vorleistung, die russischen Vermögen dienen weiterhin als faktische Absicherung. Möglich wurde der Kompromiss, weil das Vorhaben nicht von allen 27 EU-Staaten getragen werden muss. Im Rahmen einer sogenannten verstärkten Zusammenarbeit beteiligen sich 24 Länder. Ungarn, die Slowakei und Tschechien bleiben außen vor.
Hinter den Kulissen spielten auch Sorgen um den europäischen Finanzplatz eine zentrale Rolle. Diplomaten warnten vor einem möglichen Vertrauensverlust internationaler Investoren, falls Gerichte die Nutzung russischer Gelder als illegale Enteignung werten sollten. Zudem fürchteten mehrere Regierungen Vergeltungsmaßnahmen Russlands gegen europäische Unternehmen und Privatvermögen.
Mit dem nun beschlossenen Modell wahrt die EU aus Sicht vieler Regierungen die rechtliche Vorsicht – und erhöht zugleich den Druck auf Moskau. Die Unterstützung für Kiew wird ausgeweitet, ohne die Mitgliedstaaten unmittelbar finanziell zu belasten. Politisch markiert die Einigung dennoch eine neue Eskalationsstufe im wirtschaftlichen Umgang Europas mit dem Krieg.


