Berlin. In deutschen Notaufnahmen zeigt sich ein beunruhigender Trend: Immer mehr Patientinnen und Patienten müssen wegen schwerer Stichverletzungen behandelt werden, die ihnen bewusst und gewaltsam zugefügt wurden. Das belegen neue Auswertungen aus dem Traumaregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie – einer der umfangreichsten Datenbanken für schwere Verletzungen bundesweit.
Erstmals wurde analysiert, wie viele dieser Fälle tatsächlich auf gezielte Messerangriffe zurückgehen. Das Ergebnis ist alarmierend. Innerhalb von zehn Jahren registrierten die Kliniken 3325 schwere Stichverletzungen durch Gewalt. Besonders deutlich zeigt sich der Anstieg in den jüngsten Jahren: 2019 wurden etwa 250 Fälle gemeldet, 2023 bereits rund 375. Das entspricht einer Zunahme von 50 Prozent – ein Trend, der Ärzte und Unfallchirurgen zunehmend besorgt.
Die Daten zeigen zudem, dass die Opfer überwiegend männlich sind: 86 Prozent der Betroffenen waren Männer, durchschnittlich 31 Jahre alt. Rund 70 Prozent mussten unmittelbar als Notfall behandelt werden, und für acht Prozent kam jede Hilfe zu spät – sie starben im Krankenhaus an den Folgen ihrer Verletzungen.
Notfallmediziner berichten, die Angriffe seien nicht nur häufiger, sondern auch gezielter und brutaler geworden. Andreas Seekamp, langjähriger leitender Unfallchirurg des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, spricht von einem „erschreckenden“ Befund. Sein Eindruck: Messer werden häufiger bewusst als Waffe eingesetzt. Dietmar Pennig, Generalsekretär der Fachgesellschaft, bestätigt diese Beobachtung. Zunehmend würden Stiche im Hals- oder Brustbereich registriert – Regionen, in denen Verletzungen besonders schwerwiegende Folgen haben können.
Auch aus Deutschlands größtem Universitätsklinikum kommen alarmierende Zahlen. Die Notaufnahme des Virchow-Klinikums der Berliner Charité verzeichnet seit 2015 einen massiven Anstieg. 2016 behandelte man 37 Fälle gewaltsamer Messerstiche, 2024 waren es bereits 106. Bis Oktober 2025 kamen 65 weitere hinzu. Insgesamt wurden im untersuchten Zeitraum 530 Verletzte versorgt, mehrere von ihnen überlebten nicht. Für Ulrich Stöckle, Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie, ist klar: „Die Zustände in unseren Notaufnahmen dürfen nicht zur Routine werden.“
Mediziner fordern nun eine gesellschaftliche Debatte über Gewaltprävention, strengere Regulierung und konsequentere Strafverfolgung. Denn die Daten zeigen: Messerangriffe sind längst kein Randphänomen mehr – sie werden häufiger, gefährlicher und tödlicher.


