Frankfurt. Die internationalen Finanzmärkte sind am Dienstag spürbar ins Wanken geraten. Eine Kombination aus wachsender Skepsis gegenüber der künftigen Entwicklung künstlicher Intelligenz, der Angst vor ausbleibenden Zinssenkungen in den USA und einem deutlichen Absturz des Bitcoin-Kurses sorgte für eine spürbar nervöse Stimmung bei Investoren in Asien und Europa.
Bereits in der Nacht hatte der Nikkei in Tokio mit einem Minus von über drei Prozent ein klares Warnsignal gesendet. Diese Verluste schwemmten am Morgen nach Europa hinüber und drückten die Leitindizes in Frankfurt, Paris, London und Mailand unmittelbar zum Handelsbeginn ins Minus. DAX und CAC 40 starteten jeweils mehr als ein Prozent tiefer, auch der britische und der italienische Markt rutschten in ähnlichem Ausmaß ab.
Im Zentrum der weltweiten Verunsicherung steht ausgerechnet der Sektor, der in diesem Jahr eine beispiellose Kursexplosion erlebt hat: die KI-Branche. Nach Monaten der Rekordrallye zweifeln immer mehr Anleger, ob sich die Milliardeninvestitionen großer Tech-Konzerne im erwarteten Tempo auszahlen werden. Der Blick richtet sich deshalb gespannt auf Nvidia, das am Mittwoch nach Handelsschluss seine neuen Quartalszahlen vorlegen wird. Der Chipkonzern gilt als Gradmesser der gesamten KI-Industrie, seine Entwicklung könnte über die Stimmung der kommenden Wochen entscheiden.
Gleichzeitig wächst die Sorge, dass die US-Notenbank Fed im kommenden Monat auf eine weitere Zinssenkung verzichtet. Die Inflation hält sich hartnäckig über der angestrebten Zwei-Prozent-Marke, während die Einschätzung des Arbeitsmarktes durch den jüngsten Regierungsstillstand erschwert war. Erst am Donnerstag wird mit dem nachgereichten Arbeitsmarktbericht für September eine belastbare Grundlage erwartet – und damit ein potenzieller Hinweis darauf, wie die Fed weiter vorgehen könnte.
Auch der Markt für Kryptowährungen spürt die wachsende Vorsicht. Der Bitcoin fiel am Dienstag zeitweise unter die Marke von 90.000 Dollar und erreichte damit den niedrigsten Stand seit April. Seit seinem Rekordhoch im Oktober hat die Digitalwährung über ein Viertel ihres Werts verloren. Analysten sprechen von einer klaren Flucht aus riskanten Anlagen. Viele Investoren seien hin- und hergerissen zwischen der Hoffnung auf eine kurzfristige Erholung und der Furcht vor weiteren Kursrückschlägen.
Sogar aus der Branche selbst kommen warnende Worte. Sundar Pichai, Chef der Google-Mutter Alphabet, erklärte in einem BBC-Interview, dass bei einem möglichen Platzen einer KI-Blase kein Unternehmen verschont bliebe. Man könne eine gewisse Irrationalität im Markt erkennen, sagte Pichai. Selbst ein Tech-Gigant wie Google sei nicht immun.
Die kommenden Tage werden entscheidend sein: Nvidia-Zahlen, US-Arbeitsmarktdaten und die Reaktion der Fed dürften bestimmen, ob die Nervosität zu einem kurzen Rücksetzer wird – oder zum Beginn einer breiteren Korrektur.


