Im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl ist es nach massiven russischen Angriffen auf die Energieinfrastruktur zu einem kritischen Zwischenfall gekommen. Das ukrainische Energieministerium bestätigte, dass die Schutzhülle über dem zerstörten Reaktorblock 4 derzeit keinen Strom hat. Diese Konstruktion – auch als „Sarkophag“ bekannt – verhindert, dass radioaktive Strahlung entweicht.
Stromversorgung unterbrochen
Die Attacken trafen nach Angaben aus Kyjiw ein Umspannwerk in der Stadt Slawutytsch, etwa 50 Kilometer von Tschernobyl entfernt. Auch dort fiel die Energieversorgung aus, nachdem mehr als 20 russische Drohnen eingeschlagen waren. Die Internationale Atomenergieorganisation (IAEA) erklärte, dass die drei stillgelegten Reaktoren des Werks über eine andere Leitung mit Elektrizität versorgt würden. Der Sarkophag über Block 4 laufe hingegen notdürftig mit zwei Dieselgeneratoren.
Selenskyj warnt vor globaler Gefahr
Präsident Wolodymyr Selenskyj machte Moskau in einer Stellungnahme direkt verantwortlich: „Jeder Angriff auf unsere Energieanlagen, insbesondere auf jene, die für die Sicherheit nuklearer Einrichtungen entscheidend sind, ist eine Bedrohung für die ganze Welt.“ Russland sei durch sein Vorgehen nicht nur ein Risiko für die Ukraine, sondern für die globale Sicherheit.
Historischer Unglücksort erneut im Fokus
Am 26. April 1986 war der vierte Block in Tschernobyl explodiert – die schwerste Atomkatastrophe der Geschichte. Weite Teile der Ukraine, Belarus und Russlands wurden damals radioaktiv verseucht. Um die Überreste einzuschließen, wurde 2016 eine von internationalen Geldgebern finanzierte Stahlkuppel über den Reaktor gezogen. Bereits im Februar war diese Schutzkonstruktion bei einem Drohnenangriff beschädigt worden.
Angriffe auf Atomanlagen als Dauergefahr
Tschernobyl geriet bereits kurz nach Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 unter die Kontrolle russischer Truppen, die sich später zurückzogen. Das größte Atomkraftwerk Europas im südukrainischen Saporischschja hingegen ist bis heute von Russland besetzt. Immer wieder werfen sich beide Seiten gegenseitig vor, dort mit Angriffen ein neues nukleares Desaster zu riskieren. Erst im Januar wurden in der Stadt Saporischschja bei einem russischen Bombenangriff 13 Menschen getötet und 63 verletzt.
Die jüngsten Angriffe auf Tschernobyl zeigen einmal mehr, wie verletzlich nukleare Anlagen im Krieg sind – und wie schnell regionale Gefechte zu einer globalen Katastrophe eskalieren könnten.