Słaiszewo. Wo sonst Urlauber am Strand von Słaiszewo Ruhe suchen, rollen derzeit Baumaschinen an. Polens Regierung lässt an der Ostseeküste ihr erstes großes Atomkraftwerk errichten – ein Projekt, das die Energieversorgung des Landes entscheidend verändern soll. Während Deutschland aus der Kernkraft ausgestiegen ist, setzt Polen nun massiv auf Atomenergie, um CO₂-Emissionen zu senken und unabhängiger von Kohle zu werden.
Gigaprojekt im Küstenwald
Im Küstenwald von Słaiszewo wurden bereits große Flächen gerodet, um Platz für drei Reaktorblöcke zu schaffen. Der Bau soll 2028 beginnen, 2036 will der staatliche Betreiber PEJ erstmals Strom liefern. Die Anlage wird 200 Hektar umfassen und über einen 1,1 Kilometer langen Anleger versorgt – ein Eingriff, der die bisherige Strandidylle sichtbar verändert.
Region erwartet wirtschaftlichen Boom
Die abgelegene Tourismusregion könnte stark profitieren: Bis zu 8.000 Beschäftigte werden für den Bau benötigt, indirekt sollen tausende weitere Jobs entstehen. Rund 67 Prozent der Bevölkerung befürworten daher das Projekt – nicht zuletzt wegen der möglichen wirtschaftlichen Impulse.
Teil einer europäischen Trendwende
Polen ist nicht allein: Auch Tschechien, die Niederlande, Belgien und Großbritannien treiben neue Kernkraftprojekte voran. In Słaiszewo baut der US-Konzern Bechtel drei Westinghouse-Reaktoren mit je 1,25 Gigawatt Leistung. Meerwasser soll über Tunnelsysteme zur Kühlung genutzt werden.
Zusätzlich sollen neue Bahnlinien und Straßen entstehen – Kosten, die in den bisherigen bis zu 47 Milliarden Euro Projektbudget noch nicht enthalten sind.
Risiko Zeitplan und Finanzierung
Wie bei anderen europäischen Reaktoren drohen Verzögerungen und Kostenexplosionen. Beispiele wie Olkiluoto-3 in Finnland oder Hinkley Point C in Großbritannien zeigen, wie schnell Projekte weit über Zeit- und Budgetrahmen hinauswachsen. Auch in Polen ist die Finanzierung noch nicht vollständig gesichert: Der Staat trägt nur etwa 30 Prozent der Kosten, der Rest soll über Kredite kommen.
Weitere AKWs geplant – aber Endlager fehlt
Neben dem Küstenkraftwerk ist ein zweites Atomkraftwerk bei Łódź geplant. Zudem setzt Polen auf kleine modulare Reaktoren (SMR), die in Serie günstiger produziert werden sollen. Gleichzeitig wächst der Anteil erneuerbarer Energien – doch ohne Atomkraft könnte Polen seine Klimaziele kaum erreichen. Noch ungelöst bleibt jedoch eine zentrale Frage der Nuklearstrategie: Wo landet der Atommüll?


