Deutschland verstärkt seine militärische Präsenz an der Nato-Ostflanke und beteiligt sich künftig direkt am Ausbau der polnischen Grenzbefestigungen. Wie aus Sicherheitskreisen hervorgeht, will die Bundeswehr ab April Pioniereinheiten nach Polen entsenden, um dort Schützengräben auszuheben, Stellungen anzulegen und massive Panzersperren zu errichten. Die Maßnahme ist Teil der polnischen Verteidigungsinitiative „Eastern Shield“, mit der Warschau seine Ostgrenzen zu Russland und Belarus absichern will.
Vorgesehen ist der Einsatz einer mittleren zweistelligen Zahl deutscher Soldaten aus dem Heer und dem Unterstützungsbereich. Sie sollen klassische pionierdienstliche Aufgaben übernehmen – vom Bau von Grabensystemen über das Verlegen von Stacheldraht bis hin zur Errichtung von Betonhindernissen gegen Panzer. Das Projekt „Eastern Shield“ läuft seit Mai 2024 und ist mit rund 2,4 Milliarden Euro veranschlagt. Es gilt als eines der ambitioniertesten Grenzschutzprogramme in Europa seit dem Ende des Kalten Krieges.
Der deutsche Beitrag ist zugleich Ausdruck eines strategischen Kurswechsels in Berlin. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte zuletzt deutlich gemacht, dass Europa sich sicherheitspolitisch nicht länger auf die Vereinigten Staaten verlassen könne. Die „Pax Americana“ sei weitgehend vorbei, erklärte Merz. Die USA verfolgten zunehmend eigene Interessen – Europa müsse daher selbst handlungsfähiger werden und seine Verteidigung konsequent ausbauen.
Als Beleg für die wachsende Bedrohungslage verweisen Nato-Staaten auf zahlreiche Luftraumverletzungen durch russische Flugzeuge, Drohnen und Ballons. In Polen sollen im Oktober mehrere russische Drohnen abgeschossen worden sein. Nato-Generalsekretär Mark Rutte warnte vor einem möglichen Konflikt mit Russland, dessen Dimensionen an die großen Kriege des 20. Jahrhunderts erinnern könnten.
Bereits im vergangenen Herbst hatte Deutschland seine militärische Präsenz in Polen deutlich erhöht. Rund 200 Bundeswehrsoldaten wurden nach Rzeszów nahe der ukrainischen Grenze verlegt, um dort Patriot-Flugabwehrsysteme zu betreiben. Anfang Dezember folgten weitere 150 Soldaten mit Eurofighter-Kampfjets nach Malbork zur Beteiligung an der Nato-Mission „Air Policing North“. Ziel ist es, den Luftraum über der Ostsee und Osteuropa dauerhaft zu sichern.
Parallel dazu rüsten auch die baltischen Staaten massiv auf. Lettland hat im Frühjahr 2024 einen umfassenden Masterplan zur Befestigung seiner Grenzen zu Russland und Belarus beschlossen. Über fünf Jahre sollen dafür 303 Millionen Euro investiert werden. Geplant sind Panzergräben, Betonhindernisse, sogenannte Drachenzähne sowie Munitions- und Minenlager. Bereits im Sommer wurden an Dutzenden Grenzabschnitten erste Sperren und Barrieren installiert.
Estland treibt den Ausbau ebenfalls voran und hat mit dem Bau einer Verteidigungslinie aus rund 600 Bunkern begonnen. Zusammen mit Litauen entsteht so eine durchgehende baltische Verteidigungslinie. Die Botschaft ist klar: Die Nato-Ostflanke bereitet sich auf den Ernstfall vor – und setzt dabei zunehmend auf eigene europäische Fähigkeiten, unabhängig von direkter Unterstützung aus Washington.


