Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat die jüngsten gesetzlichen Vorschriften zur sogenannten Triage für verfassungswidrig erklärt. Damit gelten die Regelungen im Infektionsschutzgesetz, die 2022 eingeführt wurden, ab sofort nicht mehr. Die Richter in Karlsruhe begründeten ihr Urteil damit, dass der Bund gar nicht zuständig gewesen sei, entsprechende Vorgaben zu machen – vielmehr liege diese Zuständigkeit bei den Bundesländern.
Streit um Behandlungsprioritäten in Notlagen
Die Triage beschreibt medizinische Entscheidungen in Extremsituationen – etwa bei einer Pandemie –, wenn nicht alle Patienten gleichzeitig behandelt werden können. Dann muss entschieden werden, wer ein Intensivbett oder ein Beatmungsgerät erhält. Das Gesetz sollte verhindern, dass Menschen mit Behinderung dabei benachteiligt werden.
Gegen diese Regelung legten 14 Ärztinnen und Ärzte Verfassungsbeschwerde ein. Sie kritisierten, das Gesetz sei unklar und widersprüchlich, und führe zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Besonders das Verbot der sogenannten Ex-Post-Triage stieß auf Widerstand: Eine laufende Behandlung darf demnach nicht abgebrochen werden, selbst wenn ein später eingetroffener Patient bessere Überlebenschancen hätte.
Eingriff in die Berufsfreiheit der Ärzte
Das Gericht bestätigte, dass die Regelung in die Berufsausübungsfreiheit der Ärzte eingreife. Medizinisches Personal könne nicht mehr frei entscheiden, welche Therapie fortgesetzt oder beendet werden soll. Auch die Pflicht, Entscheidungen nur gemeinsam mit Kollegen zu treffen, schränke die berufliche Eigenständigkeit ein.
Länder müssen nun handeln
Trotz dieser Eingriffe erklärte das Gericht das Gesetz aus formellen Gründen für nichtig: Der Bund habe seine Zuständigkeit überschritten. Triage-Situationen könnten auch außerhalb von Pandemien auftreten – etwa bei Naturkatastrophen oder Großunfällen –, daher müssten die Bundesländer entsprechende Regeln erlassen.
Das Urteil fiel nicht einstimmig aus: Zwei der acht Verfassungsrichter sahen die Zuständigkeit des Bundes anders und hätten die Regelung nicht vollständig aufgehoben.


