Bern. Jahrzehntelang galten sie als Relikte des Kalten Krieges, doch nun rücken sie wieder in den Fokus: Die Schweizer Armee erwägt, ein lange verborgenes Netz von Kampfbunkern mit integrierten Minenwerfern wieder zu aktivieren. Hintergrund ist die verschärfte sicherheitspolitische Lage in Europa infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine.
Die Schweiz, bekannt für ihre Neutralität und ihre traditionsreiche Zurückhaltung in internationalen Konflikten, besitzt dennoch ein gut ausgestattetes Militär mit rund 150.000 Soldaten. Über viele Jahrzehnte hinweg hatte das Land entlang seiner Grenzen sowie entlang wichtiger Verkehrsachsen ein streng geheimes Verteidigungsnetzwerk errichtet – über hundert gut getarnte Kampfbunker mit sogenannten Festungsminenwerfern.
Bunker wurden teilweise entmilitarisiert und verkauft
Nach Ende des Kalten Krieges und insbesondere ab 2003 sah die Armee keinen akuten Bedarf mehr für diese Befestigungsanlagen. Einige der Bunker wurden entwaffnet und für zivile Zwecke verkauft – unter anderem an Vereine oder Museen wie in Trin, wo eine Anlage der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Weitere Anlagen sollten ursprünglich abgerissen werden.
Doch mit Beginn des Ukraine-Krieges hat die Schweizer Armee die Stilllegung gestoppt. Neue sicherheitspolitische Überlegungen führen nun sogar dazu, dass eine Wiederinbetriebnahme ausgewählter Bunker ernsthaft geprüft wird.
Armeechef Süssli: Wiederherstellung kurzfristig möglich
Generalstabschef Thomas Süssli erklärte gegenüber dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), dass viele dieser Anlagen in gutem Zustand seien. „Mit Zustimmung des Parlaments könnten wir einige davon relativ kurzfristig wieder in Betrieb nehmen“, so Süssli. Als erster Schritt ist jedoch vor allem die Nutzung als Munitionslager oder Truppenunterkunft geplant. Die eigentliche Reaktivierung der Waffensysteme soll nur erfolgen, wenn sich die Sicherheitslage deutlich verschlechtert.
Politische Diskussion über militärischen Nutzen
Die Überlegungen der Armee stoßen auf ein geteiltes Echo. Während etwa die rechtspopulistische SVP die Pläne ausdrücklich begrüßt, kommt aus anderen politischen Lagern Kritik. Priska Seiler Graf, Präsidentin der sicherheitspolitischen Kommission im Nationalrat, sieht in den alten Minenwerfern wenig Nutzen: Sie seien zu statisch, leicht angreifbar und ein Anachronismus in der heutigen Kriegsführung.
Süssli widerspricht: Die Anlagen seien gut geschützt und nur durch gezielte Volltreffer auszuschalten. In schwer zugänglichem Gelände könnten sie sogar militärisch unverzichtbar sein, so der General. Auch SVP-Sicherheitspolitiker Werner Salzmann betont: In Zeiten, in denen wieder Grabenkriege geführt würden – wie aktuell in der Ukraine – könnten sich die alten Schweizer Festungswerke als strategisch wertvoll erweisen.
Neutral, aber vorbereitet
Obwohl sich die Schweiz weiterhin zur Neutralität bekennt, zeigt die Diskussion um das Bunkernetzwerk: Die sicherheitspolitische Realität verändert sich, und die Schweiz will vorbereitet sein. Was jahrzehntelang als überholt galt, könnte im Ernstfall wieder eine Rolle spielen.