Europa plant Bank allein für Aufrüstung

Foto: Diliff/CC BY-SA 3.0

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Brüssel. Die Europäische Union steht vor einem historischen Umbruch in ihrer Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Mit dem neuen „ReArm Europe Plan“, den Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im März 2025 vorgestellt hat, will Brüssel insgesamt 800 Milliarden Euro für Rüstungsinvestitionen mobilisieren – die größte militärische Aufrüstung in der Geschichte der EU.

Kernstück des Plans ist das neue Finanzinstrument SAFE („Security Action for Europe“) – ein EU-Kreditprogramm über bis zu 150 Milliarden Euro, das Mitgliedstaaten gezielt beim Ausbau ihrer Verteidigungskapazitäten unterstützen soll. Von der Leyen machte bei der Vorstellung des Plans deutlich: Europa befinde sich in einer „Ära der Aufrüstung“ und müsse angesichts der Bedrohung durch Russland „schnell und entschlossen handeln“.

Neue Rüstungsbank im Gespräch

Neben dem offiziellen EU-Plan gewinnt die Idee einer eigenständigen „Verteidigungsbank“ an Gewicht. Eine Defence, Security and Resilience Bank (DSRB) könnte – abgesichert durch nationale Garantien – zwischen 100 und 500 Milliarden Euro bereitstellen. Dieses Modell würde auch neutrale Länder wie Irland oder Österreich einbinden, da es nicht über den EU-Haushalt läuft. Auch Nicht-EU-Staaten wie Großbritannien, Norwegen und Japan könnten teilnehmen. Der polnische Außenminister Radosław Sikorski begrüßt diesen Ansatz als pragmatische Ergänzung zur EU-Strategie.

Analysten warnen: Europas Sicherheitsausgaben reichen nicht aus

Unabhängige Experten wie der Thinktank Bruegel und das Kiel Institut für Weltwirtschaft warnen, dass selbst diese Milliarden nicht genügen könnten. Europa müsse seine Verteidigungsausgaben um jährlich 250 Milliarden Euro steigern und 300.000 zusätzliche Soldaten aufbauen, um glaubhaft gegenüber Russland abzuschrecken. Dafür müsste die EU ihr Verteidigungsbudget auf 3,5 Prozent des BIP anheben – weit über die bisherigen zwei Prozent.

Schuldenregeln für Rüstungsausgaben gelockert

Um den Mitgliedstaaten mehr Spielraum zu geben, lockert die EU ihre Fiskalregeln: Über die sogenannte „nationale Notfallklausel“ des Stabilitäts- und Wachstumspakts dürfen Länder ihre Verteidigungsausgaben um bis zu 1,5 Prozent des BIP anheben. Das könnte laut Kommission zusätzliche 650 Milliarden Euro bis 2029 freisetzen.

Gleichzeitig warnt das IISS (International Institute for Strategic Studies), dass solche Maßnahmen langfristige Schuldenrisiken erhöhen – besonders in einer Zeit, in der die EU auch mit den finanziellen Folgen des Klimawandels und der Alterung ihrer Bevölkerung kämpft.

Europäische Investitionsbank steigt in Verteidigungsfinanzierung ein

Eine weitere Kehrtwende: Die Europäische Investitionsbank (EIB), bisher strikt gegen die Finanzierung militärischer Güter, öffnet sich nun für den Verteidigungssektor. Präsidentin Nadia Calviño kündigte an, künftig auch Investitionen in „nicht-tödliche Verteidigungsgüter“ zu finanzieren und unbegrenzte Kredite zu prüfen, sofern die Mitgliedstaaten zustimmen. Ein Tabubruch, der breite politische Zustimmung, aber auch neue Debatten auslöst.

Deutschlands Industrie profitiert

Während in Brüssel noch über rechtliche Grundlagen und Finanzierung gestritten wird, spüren Teile der deutschen Industrie bereits die Folgen. Maschinenbau und Automobilindustrie verzeichnen durch die boomende Rüstungsbranche einen Strukturwandel. Rückenwind bekommt die Entwicklung durch den anhaltenden Zollstreit zwischen der Trump-Administration und der EU, der europäische Unternehmen zunehmend unter Handlungsdruck setzt.

Ob der „ReArm Europe Plan“ zur sicherheitspolitischen Wende oder zur vertieften Fragmentierung führt, bleibt offen. Klar ist: Europa stellt sich sicherheitspolitisch neu auf – mit mehr Geld, mehr Risiko, aber auch mehr geopolitischem Selbstbewusstsein.

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