Berlin. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will ab Mitte 2027 wieder eine verpflichtende Musterung aller jungen Männer einführen. Der Minister bezeichnete den Schritt als „notwendige Vorsorgemaßnahme“ für die Sicherheit Deutschlands. Gleichzeitig betonte er, dass die Freiwilligkeit beim Wehrdienst weiterhin Vorrang haben solle.
„Ja, wir brauchen eine verpflichtende, flächendeckende Musterung für Männer“, sagte Pistorius in einem Interview mit der Bild am Sonntag. Ziel sei es, im Verteidigungsfall schnell handlungsfähig zu sein. „Wenn der Verteidigungsfall, den wir unbedingt verhindern wollen, doch eintreten sollte, tritt nach dem Grundgesetz die Wehrpflicht unmittelbar wieder in Kraft. Dann müssen wir wissen, wer einsatzbereit ist und wer nicht.“
Der Minister rechnet damit, dass Deutschland „Mitte 2027“ organisatorisch so weit sei, um die Musterung bundesweit wieder aufzunehmen. Eine Rückkehr zur Wehrfähigkeitsprüfung habe auch eine abschreckende Wirkung gegenüber Russland, so Pistorius: „Wenn wir wieder alle Männer eines Jahrgangs mustern und die Daten aller Wehrfähigen erheben, wird das auch in Russland wahrgenommen. Anders ausgedrückt: Auch das ist Abschreckung!“
Mehrheit gegen Losverfahren
Während Pistorius auf eine klare Struktur und Planung setzt, stößt der Vorschlag der Union für ein Losverfahren im neuen Wehrdienstgesetz auf breite Ablehnung. Laut einer aktuellen Insa-Umfrage halten 60 Prozent der Deutschen die Idee für falsch, bei zu wenigen Freiwilligen per Zufall über eine Einberufung zu entscheiden. Nur 21 Prozent befürworten das Konzept.
Auch unter den CDU/CSU-Wählern überwiegt die Skepsis: 59 Prozent lehnen das Losverfahren ab. Unter SPD-Anhängern steigt der Anteil der Gegner sogar auf 64 Prozent. Besonders deutlich ist die Ablehnung bei jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren – nur 20 Prozent unterstützen das Modell, während 50 Prozent dagegen sind.
NATO-Reise mit Sicherheitsagenda
Parallel zur innenpolitischen Debatte startet Pistorius am Sonntag eine fünftägige Reise nach Island, Kanada und Großbritannien. In den drei NATO-Staaten will er über eine engere sicherheitspolitische Zusammenarbeit, gemeinsame Übungen und Rüstungskooperationen sprechen. Im Fokus steht dabei auch die maritime Sicherheit im Nordatlantik und in der Arktis.
„Putin remilitarisiert die Arktis. Die russische Nordflotte ist eine potenzielle Gefahr für Kommunikations- und Transportwege zwischen den NATO-Alliierten“, warnte Pistorius. Mit nuklear bewaffneten U-Booten könne Moskau Ziele in Europa erreichen. „Dieser potenziellen Bedrohung setzen wir eine starke maritime Sicherheitspartnerschaft entgegen, zu der auch Kanada gehört.“
Geplant seien unter anderem gemeinsame Lagebilder, Übungen sowie Rüstungsprojekte mit gemeinsamer Wartung und Logistik.
Ukraine-Hilfe bleibt Streitthema
Ein weiteres Gesprächsthema dürfte die westliche Unterstützung für die Ukraine bleiben. Hintergrund ist die Entscheidung des US-Präsidenten Donald Trump, die Lieferung von Tomahawk-Marschflugkörpern an Kiew vorerst zu stoppen. Pistorius will in seinen Gesprächen in Kanada und Großbritannien ausloten, wie die europäischen Partner die Ukraine weiterhin militärisch unterstützen können.