Berlin. CDU-Chef Friedrich Merz hat im Bundestag die erste Runde der Kanzlerwahl nicht für sich entscheiden können. In der geheimen Abstimmung erhielt er 310 Stimmen – sechs zu wenig, um die erforderliche absolute Mehrheit von 316 Stimmen zu erreichen. Dabei verfügen CDU/CSU und SPD gemeinsam über 328 Sitze im Parlament, was auf fehlende Unterstützung innerhalb der eigenen Reihen oder Stimmenthaltungen hindeutet.
Was passiert jetzt?
Das weitere Verfahren ist im Grundgesetz, Artikel 63, klar geregelt. Demnach kann der Bundestag innerhalb von 14 Tagen nach dem ersten Wahlgang erneut einen Kanzler oder eine Kanzlerin wählen – diesmal jedoch mit mehr Flexibilität. Innerhalb dieser Frist dürfen mehrere Wahlgänge mit unterschiedlichen Kandidatinnen und Kandidaten stattfinden. Auch in diesen Wahlgängen ist weiterhin eine absolute Mehrheit nötig.
Termin für den nächsten Wahlgang noch offen
Ein genauer Termin für die zweite Abstimmung steht noch nicht fest. Laut AfD-Geschäftsführer Bernd Baumann hat Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) vorgeschlagen, den nächsten Wahlgang am kommenden Mittwoch abzuhalten. Seine Fraktion würde dem Vorschlag zustimmen. Eine formale Einladung des Bundestags steht allerdings noch aus.
Was passiert, wenn erneut niemand gewählt wird?
Sollte innerhalb der 14-Tage-Frist kein Kandidat die Kanzlermehrheit erreichen, kommt es zu einem weiteren Wahlgang – dann jedoch unter erleichterten Bedingungen. In dieser Abstimmung reicht eine einfache Mehrheit aus: Gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält, unabhängig von der Gesamtzahl der Abgeordneten.
Bundespräsident hat das letzte Wort
Wenn ein Kandidat mit einfacher Mehrheit gewählt wird, hat der Bundespräsident zwei Möglichkeiten: Entweder er ernennt die Person innerhalb einer Woche zum Bundeskanzler oder er löst den Bundestag auf – was Neuwahlen zur Folge hätte. Die kommenden Tage werden entscheidend sein, ob Merz eine stabile Mehrheit findet – oder ob Deutschland auf eine neue Bundestagswahl zusteuert.
Stimmen aus dem Reichstag
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann plädiert dafür, noch heute einen zweiten Urnengang zur Wahl des neuen Bundeskanzlers durchzuführen. „Alle haben ein Ziel, dass es jetzt zügig geht, dass wir nicht tagelang diese Unsicherheit haben in Deutschland“, erklärte Linnemann im Fernsehsender phoenix und ergänzte: „Ich hoffe, dass wir heute noch in den zweiten Wahlgang gehen und erfolgreich sind.“
„Er hat einen Tonfall vorgelegt, wo man das Gefühl hatte, das rächt sich jetzt“, erklärte die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast (Bündnis90/Grüne) im Fernsehsender phoenix. Merz habe in der Vergangenheit die Ampel zum Teil sehr scharf angegriffen. „Jetzt ist der potentielle Kanzler Merz massiv geschwächt. Es ist ein Donnerschlag für das ganze Land.“
Linken-Politiker und Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow sagte bei phoenix: „Ich bin ziemlich sauer auf Herrn Merz und Herrn Klingbeil, dass wir in so eine Situation gekommen sind“. Weiter habe er in seiner Fraktion dafür plädiert, „dass wir die Fristverkürzung aktiv mittragen, dass wir deutlich machen, das Parlament kann möglichst schnell zusammentreten, das wäre frühestens morgen der Fall, und wir setzen jetzt darauf als Linke, dass es morgen auch zu dieser Sitzung kommt.“