Es ist ein stiller Alarm, der Millionen Menschen gleichzeitig erreicht: Cell Broadcast, ein längst standardisiertes, aber in Deutschland lange übersehenes Warnsystem, hat sich seit seiner offiziellen Einführung im Februar 2023 als Schlüsseltechnologie zur Bevölkerungswarnung etabliert.
Anders als klassische SMS werden Cell-Broadcast-Nachrichten nicht an Einzelpersonen verschickt, sondern über Funkzellen direkt an alle Mobilgeräte in einem bestimmten Gebiet gesendet – ohne dass Telefonnummern bekannt sein müssen. Damit ist Cell Broadcast ein echtes Massenmedium im Krisenfall. Entwickelt wurde der Dienst bereits 1999, er ist Teil der Mobilfunkstandards 2G bis 5G und international über das 3GPP-Konsortium standardisiert.
Erprobung mit Millionenpublikum
Beim bundesweiten Warntag im Dezember 2022 wurde Cell Broadcast erstmals in Deutschland getestet – mit beachtlichem Erfolg. Im Jahr darauf stieg die Reichweite der Warnungen auf über 70 Prozent der Bevölkerung. Für rund elf Prozent war es sogar das einzige empfangene Warnsignal – ein klarer Beweis für die Bedeutung des neuen Systems im deutschen Warnmittelmix.
Wende nach Katastrophen
Bis 2021 war Cell Broadcast in Deutschland kaum genutzt. Erst das katastrophale Hochwasser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie der gescheiterte Warntag 2020 brachten einen Sinneswandel. Im August 2021 entschied die Bundesregierung, das System flächendeckend einzuführen. Gesetzliche Grundlagen folgten zügig, sodass der Dienst Anfang 2023 deutschlandweit startklar war.
Technik: schnell, sicher, anonym
Eine Cell-Broadcast-Nachricht kann innerhalb von Sekunden an hunderttausende Funkzellen gesendet werden – zuverlässig, netzunabhängig und anonym. Der Inhalt ist auf 1395 Zeichen begrenzt, erlaubt aber Links und mehrsprachige Inhalte. Bilder können jedoch nicht verschickt werden. Rückmeldungen von Empfängergeräten gibt es ebenfalls nicht – eine bewusste Entscheidung für Schnelligkeit und Datenschutz.
Technische Barrieren: Altgeräte bleiben stumm
Trotz internationaler Standardisierung funktionierte Cell Broadcast in Deutschland zunächst nur auf neueren Geräten – ab Android 11 und iOS 16.1. Grund dafür war nicht ein deutscher Sonderweg, wie Kritiker behaupteten, sondern die bisher uneinheitliche Umsetzung durch Handyhersteller. Viele ältere Smartphones, vor allem Android-Modelle vor Version 11, erhielten keine nötigen Updates. Immerhin: Marken wie Huawei, Honor und Motorola hatten die Funktion schon vorher standardmäßig aktiviert, weshalb ältere Geräte dieser Hersteller häufig trotzdem funktionierten – teilweise allerdings mit abweichender Bezeichnung wie dem US-typischen „Presidential Alert“.
Die Rückkehr der Sirene – oder doch nicht?
Lange Zeit galt Cell Broadcast als moderne Alternative zur Sirene – doch vielerorts wird auch das altbewährte Warnmittel wieder aufgebaut. Integriert in das Modulare Warnsystem (MoWaS), sollen künftig beide Kanäle Hand in Hand arbeiten, um die Bevölkerung zuverlässig zu alarmieren – egal ob bei Hochwasser, Bombendrohung oder Waldbrand.
Ein Modell mit Zukunft
Auch andere Länder haben das Potenzial erkannt: Die Schweiz etwa hat 2023 entschieden, Cell Broadcast in ihre Warnstrategie zu integrieren. Für Deutschland ist der Dienst bereits ein unverzichtbarer Bestandteil des Bevölkerungsschutzes geworden – schnell, direkt und effektiv.