Berlin. Die künftige Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD plant eine weitreichende Modernisierung der öffentlichen Verwaltung. Im Zentrum steht dabei die Einführung eines verpflichtenden digitalen Bürgerkontos für alle in Deutschland lebenden Menschen. Unter der Führung von CDU-Chef Friedrich Merz soll damit die längst überfällige Digitalisierung von Behörden konsequent vorangetrieben werden.
Bürgerkonto als zentrale Schnittstelle für den Kontakt mit Behörden
Das Bürgerkonto soll künftig zur verbindlichen Plattform für alle Verwaltungsangelegenheiten werden – von der Steuererklärung bis hin zu Kindergeldanträgen. Ziel ist es, den Umgang mit Behörden spürbar zu vereinfachen, unnötige Bürokratie abzubauen und Prozesse effizienter zu gestalten. Dokumente, Bescheide und Kommunikationsverläufe sollen gebündelt digital verwaltet werden.
Laut Regierungsplänen werden alle Bürgerinnen und Bürger verpflichtet, sich einmalig zu registrieren. Danach sind sämtliche Verwaltungsleistungen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene über das Konto zugänglich. Auch Menschen mit wenig digitalen Vorkenntnissen sollen durch gezielte Unterstützungsangebote begleitet werden.
„Once-Only-Prinzip“: Daten nur einmal einreichen
Ein zentrales Prinzip der Reform ist das sogenannte „Once-Only-Prinzip“: Daten und Nachweise wie Einkommensnachweise oder Urkunden sollen künftig nur einmal in das System eingepflegt werden müssen. Die Behörden selbst übernehmen dann den internen Austausch untereinander – Anträge wie etwa für Kindergeld oder Wohngeld könnten in Zukunft vollständig automatisch und ohne separates Formular bearbeitet werden.
Der Zugang zu Sozialleistungen, Bescheinigungen oder Führungszeugnissen soll so einfacher und schneller werden. Unternehmen profitieren ebenfalls: Für sie ist ein spezieller Zugang vorgesehen, der unter anderem Unternehmensgründungen innerhalb von 24 Stunden ermöglichen soll.
Rechtliche Bewertung: Einheitliche digitale Verwaltung
Rechtsanwalt Dr. Ulrich Blaschke analysiert auf dem Fachportal KPMG Law, dass das Bürgerkonto eine einheitliche digitale Identität schafft. Einmal registriert, könnten Bürgerinnen und Bürger sämtliche Verwaltungsdienste gebündelt nutzen. Blaschke sieht darin einen Meilenstein auf dem Weg zu einer modernen, bürgernahen Verwaltung – betont aber auch die Notwendigkeit eines rechtssicheren Datenschutzkonzepts.
Kritik: Datenschutz, Hürden für ältere Menschen und Sicherheitsbedenken
Trotz der vielen potenziellen Vorteile stößt das Vorhaben nicht nur auf Zustimmung. Kritiker warnen vor möglichen Risiken: Die zentrale Speicherung sensibler personenbezogener Daten könnte ein attraktives Ziel für Cyberangriffe darstellen. Auch stellt sich die Frage, wie Menschen ohne digitale Kompetenzen – etwa viele Seniorinnen und Senioren – angemessen eingebunden werden können.
Noch ist unklar, welche konkreten technischen und organisatorischen Schritte CDU, CSU und SPD für die Umsetzung planen. Bis Ende 2025 will die neue Koalition ein umfassendes Konzept vorlegen.
Europäische Einbindung: Verknüpfung mit EUDI-Wallet geplant
Das Bürgerkonto soll sich zudem nahtlos in europäische Digitalisierungsstrategien einfügen. Die EU plant mit der sogenannten EUDI-Wallet (European Digital Identity Wallet) eine Art digitalen Ausweis für alle EU-Bürgerinnen und -Bürger. Diese Wallet soll bereits im Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung berücksichtigt worden sein und die grenzüberschreitende Nutzung von Verwaltungsleistungen erleichtern.
Revolution oder Risiko?
Mit dem verpflichtenden Bürgerkonto steht Deutschland vor einer der tiefgreifendsten Verwaltungsreformen seiner Geschichte. Die Aussicht auf vereinfachte Verfahren, digitale Effizienz und weniger Papierarbeit klingt vielversprechend. Ob das Projekt auch sozialverträglich, datenschutzkonform und sicher umgesetzt werden kann, wird jedoch maßgeblich über seinen Erfolg entscheiden.