London. In Großbritannien bleibt der Regen derzeit aus – und das ausgerechnet in einem Land, das für sein wechselhaftes Wetter bekannt ist. Bereits im März verzeichnete England die niedrigsten Niederschläge seit Beginn der offiziellen Wetteraufzeichnungen im Jahr 1961. Auch der April brachte kaum Besserung. In Londons Parks zeigen sich erste Spuren des Wassermangels: Verbranntes Gras und kahle Stellen zeugen von der anhaltenden Trockenheit. Die Sorge wächst, ob die Wasservorräte für den bevorstehenden Sommer ausreichen werden.
Reservoirs unter dem Durchschnitt
Die Wasserreservoirs in England sind momentan nur zu 84 Prozent gefüllt – ein bedenklicher Wert, der bereits unter dem Niveau des Frühjahrs 2022 liegt. Damals folgte auf einen ähnlich trockenen Frühling eine ausgeprägte Sommerdürre. Besonders dramatisch ist die Lage im Lake District, wo Speicher wie Haweswater und Thirlmere derzeit nur etwa halbvoll sind.
Der größte britische Wasserversorger, Thames Water, der rund 16 Millionen Menschen in London und Südostengland beliefert, schlägt Alarm. Erste Warnungen vor möglichen Wasserrestriktionen wurden bereits ausgesprochen. Sollte die Trockenheit anhalten, könnten sogenannte „Hosepipe Bans“ in Kraft treten, die unter anderem das Bewässern von Gärten oder das Befüllen privater Pools verbieten.
Marode Leitungen, massive Verluste
Ein weiteres Problem verschärft die Situation: Die Infrastruktur ist vielerorts veraltet. Thames Water verliert laut Experten täglich bis zu ein Viertel seines Trinkwassers durch undichte Rohrleitungen – das entspricht mehreren hundert Millionen Litern. Ursache dafür ist eine jahrelange Vernachlässigung von Investitionen, insbesondere seit der Privatisierung der Wasserunternehmen im Jahr 1989.
Während die Schulden der Versorger in die Höhe schnellten, floss ein Großteil der Gewinne an Investoren, anstatt in die Sanierung des Leitungsnetzes. Heute zahlt die Bevölkerung den Preis für dieses Missmanagement. Thames-Water-Chef Chris Weston kritisiert offen die Fehler der Vergangenheit und spricht von einer Krise, die „das Ergebnis jahrzehntelanger Fehlentscheidungen“ sei. Der Konzern stehe vor der gewaltigen Aufgabe, die Infrastruktur zu modernisieren und seine Schulden abzubauen.
Maßnahmen lassen auf sich warten
Pläne zur Verbesserung der Situation gibt es, doch sie kommen nur langsam voran. So soll in Oxfordshire ein neues Großreservoir entstehen – allerdings frühestens ab 2029. Auch andere Projekte, wie die Meerwasserentsalzungsanlage im Osten Londons, sind aktuell nicht betriebsbereit. Eigentlich sollte die Anlage im Notfall hunderttausende Haushalte versorgen, doch hohe Betriebskosten und technischer Stillstand verhindern ihren Einsatz.
Klimawandel und Bevölkerungsdruck verschärfen die Lage
Die zunehmenden Dürreperioden in England sind Teil eines größeren Trends. Extreme Wetterlagen haben in den letzten Jahren zugenommen – nicht nur wegen des Klimawandels, sondern auch, weil die Bevölkerungsdichte in Regionen wie Südostengland besonders hoch ist. Diese Gebiete gelten mittlerweile offiziell als „wasserarme Zonen“.
Die Kombination aus wachsender Nachfrage, schwacher Infrastruktur und klimatischen Veränderungen stellt das Land vor große Herausforderungen. Ohne konsequente Investitionen in nachhaltige Wasserversorgung droht England künftig häufiger Wasserknappheit – in einem Land, das lange Zeit eher für Regenfluten als für Dürreperioden bekannt war.
Die aktuelle Trockenheit in England ist ein alarmierendes Zeichen. Sie zeigt, wie anfällig selbst regenreiche Länder für Wasserknappheit sein können – besonders dann, wenn über Jahre hinweg Versäumnisse in der Infrastrukturpflege und Wasserwirtschaft ignoriert wurden. Die Uhr tickt: Damit Großbritannien in Zukunft besser auf Wetterextreme vorbereitet ist, müssen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft jetzt handeln.